Ein ernstes Vor-WörtchenVon Pontius bis Pilatus
“Ich habe schon alle Diäten der
Welt durchgekostet, manches Mal auch ganz schön abgenommen, aber dann das Zwischen- oder Endergebnis nicht halten können. Es ist wie verhext: Ich habe dann immer wieder zugenommen - zum Teil sogar schneller wieder
zugenommen als abgenommen.”
Diesen Satz hört man praktisch von allen den Bedauernswerten, die mit dem Problem des Übergewichts belastet sind.
Als ich vor vielen Jahren das erste Mal am Beginn meiner
Laufbahn von einem Patienten hörte, dass er seit Jahren regelmäßig einmal pro Jahr in einer Fastenklinik abnehme und unterm Strich trotzdem dennoch jedes Jahr mehr wog als im Jahr zuvor, kamen auch mir die Zweifel am
“starken Willen” des Patienten. Als sich die Patienten mit der gleichen Geschichte, dem gleichen regelmäßigen Werdegang aber häuften, bekam ich Zweifel an der Qualifikation der Kollegen. Die Befürchtung nagte an meiner
Seele, ob von den Fachleuten dort nicht kapitale Fehler oder gar die Freude an der zahlenden Dauerkundschaft vorherrsche.
Dann wurde der hässliche Begriff des Jojo-Effektes erfunden. Er bezeichnet den
eingangs beschriebenen Effekt, dass das Gewicht wie ein Jojo an der Schnur ständig auf- und abtanzt. Dieser Ausdruck ist seither der Horror für unendlich viele Übergewichtige.
Eine recht große Anzahl der
Übergewichtigen weiß mit reinem Gewissen, dass sie mengenmäßig nicht mehr essen als andere, die deutlich schlanker sind. Oder man erlebt gar die besonders krasse Situation, dass die Geplagten tatsächlich deutlich
weniger essen als Normalgewichtige. Und das tut weh. Da nützt der Galgenhumor recht wenig, wenn die Bedauernswerten davon reden, dass sie in der Zeitung nur eine fettgedruckte Überschrift lesen und schon nehmen sie zu.
Aber richtig schmerzhaft ist es, wenn einem ein Therapeut, den man in seiner Ratlosigkeit um Hilfe bittet, den unverblümten Satz vor die Füße schleudert: “Friss die Hälfte!” Ob er dabei die scheinbar
höfliche Abkürzung FdH oder eine sonstige Umschreibung seiner Meinung benutzt, ist unerheblich. Die Ratlosigkeit steigt, wenn er uns dann nicht einen probaten Weg zeigt, zum Normalgewicht zurück zu finden. Denn die
Hälfte zu essen bleibt ein frommer Wunsch oder Befehl, wenn das nicht zu bremsende Verlangen nach Nahrung dem entgegensteht, ganz besonders dann, wenn man ohnehin schon regelmäßig vom Tisch aufsteht, ohne satt zu sein..